St. Jacobi-Kirche

Oranienstraße 132 - 134, 10969 Berlin

Die St. Jacobi-Kirche ist ein Ensemble des Architekten Stüler an der Oranienstraße. Auf den ersten Blick wirkt sie unscheinbar, da sie durch die großen Bäume von der Straße aus nicht sofort einsehbar ist. Mit einem Arkadengang verbunden gehören neben der Kirche zwei weitere Gebäude zum Ensemble, welches einen quadratischen Garten mit der Statue des Heiligen Jakobus einrahmt.
Der weitläufige Garten rund um die Kirche im hinteren Teil des Grundstücks lädt zu ein paar ruhige Minuten im Stadtlärm ein.

Im rechten Gebäude ist das Gemeindebüro zu finden, sowie ein großer Gemeindesaal mit separater Küche.
Leider ist der Zugang zu diesen Gebäudeteilen nur über eine kurze Treppe zu erreichen. Der Zugang zum Kirchraum ist inzwischen barrierefrei über eine Rampe zu erreichen.

   Termine St Jacobi

Die Geschichte der St. Jacobi-Kirche

St. Jacobi - seit 175 Jahren die Hütte Gottes

bei den Menschen in Kreuzberg

Von Pfr. i.R. Volker Steinhoff

Die Kirche auf freiem Feld errichtet
Die Stadtplanung sah das nicht vor.

Erste Teilung innerhalb Berlins
1843 wurde St. Jacobi von der Luisenstadt-Gemeinde abgetrennt.



Der Pfarrer lässt nicht locker
Gegen den Widerstand des Kirchenvorstands bestand Pfarrer Bachmann auf der sofortigen Teilung der Gemeinde und wandte sich zur Unterstützung seiner Ziele direkt an den König. 





Der König sichert die Finanzierung

Dank der Hilfe von Friedrich-Wilhelm IV konnte das Grundstück auf freiem Feld für 26000 Reichstaler erworben werden.

 

 

 

 

Friedrich-Wilhelm IV    

Friedrich August Stüler wird der Architekt

Im Auftrag des Königs entwarf Stüler eine Gesamtanlage im frühchristlich byzantinischen Stil, mit einer dreischiffigen  Basilika, einem links davon stehenden Campanile, mit Atrium, verbindenden Arkadengängen, sowie symmetrischen Neben-bauwerken, die 1859 (Pfarrhaus) bzw. 1865/66 (Predigerhaus) errichtet wurden.





















   Friedrich August Stüler 

 

Der König ist dabei
Sowohl bei der Grundsteinlegung am 2. Juli 1844 als auch bei der Weihe der Kirche am 5. Oktober 1845 durch Bischof Neander war Friedrich Wilhelm IV. zugegen. Der Patron reiste extra mit der königlichen Familie und anderen Würdenträgern per Sonder-zug aus Potsdam an.

Der König gibt den Namen des Apostel Jakobus des Älteren

St. Jacobi sollte die Kirche heißen.  Zur Einweihung schenkte der König deshalb der Gemeinde eine Sandsteinplastik ihres Namenspatrons, des Apostel Jakobus des Älteren, die bis heute im Atrium der Kirche steht.



Die Gemeinde gibt sich eine Verfassung

Es gab einen kleinen Kirchenvorstand, der regelmäßig tagte, und einen großen Kirchenvorstand, der die großen Linien festlegte. Dieses "Statut für die Evangelische St. Jacobi-Kirchengemeinde zu Berlin" sorgte dafür, das die Gesamtgemeinde an der Gestaltung und Verwaltung der Gemeinde beteiligt war.



Die Gemeinde holt sich neue Mitarbeiter
1866 zählte die Gemeinde bereits 60000 Seelen. Das erforderte weitere Mitarbeiter. Hilfsprediger kamen dazu, 1871 wurde erstmalig eine Gemeinde-Diakonisse angestellt. Über 100 Jahre gestalteten Diakonissen das Gemeindeleben in St. Jacobi mit.



Das Zivilstandsgesetz veränderte das Gemeindeleben
Mussten bis dahin alle Taufen, Trauungen und Beerdigungen bei den Kirchengemeinden registriert werden, so wurde dies mit dem 1. Oktober 1885 den Standesämtern übertragen. Dadurch wurden sämtliche kirchliche Handlungen der Freiwilligkeit der Gemeindeglieder anheimgestellt. Das führte insgesamt zu einem Rückgang des Gemeindelebens. Um dem entgegen zu treten, musste ein  Besuchsdienst eingerichtet und verstärkt werden.

An Stelle der Wohnungen hielten in den Straßenzügen Musterlager, Büro- und Geschäftshäuser, kleine Betriebe und Fabriken ihren Einzug. Es entstand damals das berühmte Handelsviertel Ritterstraße. Damit begann auch das Absinken der Bevölkerungszahl. Die Gemeinde musste nach neuen Wegen suchen, dieser Veränderung Rechnung zu tragen. Die Gemeindediakonie entstand, Jünglings - und Beschäftigungsvereine wurden  ins Leben gerufen, der Kindergottesdienst entstand, Kranken- und Armenpflege wurden eingerichtet.

 

 

  Apsis mit dem vollständigen Mosaik von 1905     

Rapider Schrumpfungsprozess der Gemeinde
Von 60000 im Jahre 1866 auf 1600 Gemeindeglieder heute. Ursachen dafür sind die rapide Verkleinerung des Gemeindebezirks, die veränderte Bevölkerungsstruktur,  heute vor allem aufgrund eines hohen Migrantenanteils. Weitere Ursachen sind eine Überalterung der Gemeindeglieder - junge Familien ziehen wegen der Schulsituation in andere  Stadtteile Berlins - und der zunehmende Säkularisierungsprozess in unserer Gesellschaft,  sowie die veränderten Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen heute. Hinzukommt im Vergleich zu den Anfängen eine immer geringere aktive Beteiligung  der Gemeindeglieder am Gemeindeleben. Es ist die Haltung:  "Kirche sei für mich da, wann ich es will und wie ich es will."



Versagen der Gemeinde in der Nazi-Zeit
St. Jacobi lag im Dritten Reich voll auf der Linie der Deutschen Christen: 1934 übernahm die Gemeinde den "Arierparagraphen", in welchem St. Jacobi mit seinen hauptamtlichen Mitarbeitern, vor allem den Pfarrern, dem NS-Staat Treue und Gehorsam schwor: Ich schwöre. Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe." Es gab keinen Widerstand. Im Gegenteil. Tauf-, Trau- und Totenregister wurden dem NS-Staat ausgeliefert, damit er diese zwecks späterer Verfolgung auf "Juden, Zigeuner und Neger (...)" durchforsten konnte. Taufen, Trauungen und Beerdigungen wurden verweigert, wenn ein "Fremdstämmiger" Verdacht bestand.

Zerstörung der Kirche am 3. Februar 1945
Bei einem Luftangriff wurde nicht nur die Kirche gravierend zerstört, sondern mit ihr die gesamte  Umgebung.  Auf den Straßen gab es zwischen den Trümmern nur schmale Pfade, rechts und links ragten die ausgebrannten Ruinenfronten hervor. Im Gemeindegebiet St. Jacobi waren von den 742 Häusern nur noch 101 Häuser halbwegs bewohnbar.                          

 

Kirchenbaracke nach dem Krieg

 

Wiedereinweihung der Kirche am Palmsonntag 1957
Bis dahin kam man 10 Jahre auf dem Kirchgelände in einer zur Notkirche aufgebauten Baracke zusammen.

 

Fremdeln nach dem Fall der Mauer 1989

"Es hätte für die Westler viele neue Perspektiven geben können. Doch viel und sei es nur potentielle Veränderung war unheimlich. Und nach der ersten Euphorie gab es wenig Bereitschaft,  sich der neuen Situation zu stellen und bewährte Pfade zu verlassen. Man blieb zusammen und besprach die Lage in den alten Konstellationen, auch in der Gemeinde. Da, wo alles sich ändert, hielten die Gemeindegruppen zusammen, blieben aber in ihrer Zusammensetzung relativ unberührt." So schrieb es Pfr. Peter Stock treffend im Lesebuch zum 150 jährigen Jubiläum der St. Jacobi-Kirche.

 

Die Fusion 2013 - eine herausfordernde Mission
Schwindende Gemeinde-gliederzahlen und damit verbundene enorme finanzielle Herausforderungen machten eine Fusion mit St. Simeon und Melanchthon unerlässlich. Nach jahrelangen, oft sehr schwierigen Verhandlungen und Gesprächen kam es schließlich zur Fusion der drei Gemeinden zur neuen "Evangelischen Kirchengemeinde in Kreuzberg Mitte", feierlich Pfingsten 2013 begangen  in einem  Gottesdienst, der in Melanchthon begann, in St. Simeon mit der Predigt fortgesetzt wurde und in St. Jacobi mit der Feier des Heiligen Abendmahls endete.

   (Foto:  Fusionsgottesdienst Pfingsten 2013)

Was ist durch die Jahrzehnte bis heute geblieben?
Das soziale Engagement für Arme und Bedürftige, heute angeboten durch "Laib und Seele". Der besondere Schwerpunkt der Kirchenmusik, den es schon immer in St. Jacobi gab und weitergibt. Das zentrale Stellung  des Gottesdienstes, der Menschen mitnehmen möchte auf den Weg Jesu Christi.

Wie sieht der Weg in die Zukunft aus?
Zurechtfinden in der neuen Situation, weniger miteinander fremdeln,  mehr aufeinander und auf andere zugehen, die eigenen Grenzen überschreiten, nicht am bisherigen krampfhaft festhalten, die Chancen des Neuen entdecken, konstruktiv mitarbeiten und kreativ das Gemeindeleben mit gestalten.

Was steht am Ende?  Der Dank.
Er gilt allen, die sich durch die Jahrzehnte haupt- und ehrenamtlich für St. Jacobi eingesetzt haben, weil sie bewusst oder unbewusst  verstanden haben, was St. Jacobi am 5. Oktober 1845 als Leitwort  gegeben worden ist:

"Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen."   (Off. 21,3)